EU-Zukunftskonferenz: Anerkennung und Förderung der internationalen Sprache Esperanto
Die Europäische Union veranstaltet etwas, was sie in dieser Form noch nie gemacht hat: Sie fragt ihre Bürgerinnen und Bürger, wie sie sich die Zukunft der EU vorstellen. Schon seit April dieses Jahres organisiert die EU hierfür eine Zukunftskonferenz, https://futureu.europa.eu . Alle können sich mit Vorschlägen beteiligen, können diskutieren und einzelne Vorschläge befürworten.
Esperanto-Vorschläge
Auch die Esperanto-Sprecherinnen und -Sprecher haben sich mit einer Reihe von Ideen zu Wort gemeldet, die lebhaft diskutiert wurden. Sowohl in den Zwischenberichten der EU über die eingereichten Vorschläge als auch in der Bürgerversammlung vom 17. bis 19. September in Straßburg wurde Esperanto erwähnt – als mögliche einende Sprache der EU, um Kommunikation und gegenseitiges Verständnis der Bürgerinnen und Bürger in der gesamten EU zu verbessern.
Esperanto weitaus schneller zu erlernen
Man plädiert für Esperanto, weil es weitaus schneller zu lernen ist als Englisch und andere Sprachen und weil es weitgehend neutral ist. Die Esperanto-Lernenden haben eine realistische Chance sich in der Sprachgemeinschaft einzubringen und es ist mit Esperanto eine europäische und auch weltweite Sprachgemeinschaft entstanden.
https://futureu.europa.eu/processes/OtherIdeas/f/8/proposals/5399
Esperanto und andere Sprachen
Klar ist dabei, dass Esperanto nur eine ergänzende Sprache sein kann und soll. Jede und jeder soll weiterhin seine Muttersprache und andere nationale Sprachen sprechen. Selbst bei einer stärkeren Förderung des Esperanto werden Englisch, Französisch und andere internationale Sprachen ihre Bedeutung noch lange Zeit behalten.
Offizielle Anerkennung des Esperanto als Sprache von EU-Bürgerinnen und -Bürgern
Ein weiterer Vorschlag fordert die Anerkennung des Esperanto als selbst gewählte Sprache von ein paar hunderttausend EU-Bürgerinnen und -Bürgern; die Zahl der Esperanto-Muttersprachler wird auf tausend bis zweitausend geschätzt. Bisher erwähnt die EU-Kommission das Esperanto allerdings bedauerlicherweise nicht, wenn die Sprachensituation in der EU dargestellt wird.
https://futureu.europa.eu/processes/OtherIdeas/f/8/proposals/17955
Eine Schulstunde über Esperanto
An so mancher Schule gibt gelegentlich eine Lehrerin oder ein Lehrer der Klasse einen kleinen Überblick über Esperanto. Der Deutsche Esperanto-Bund unterstützt das - schließlich kann man etwas erst dann gut beurteilen, wenn man genauere Informationen hat. Auch bei der Zukunftskonferenz gibt es einen Vorschlag dazu.
https://futureu.europa.eu/processes/Education/f/36/proposals/39238
Esperanto relativ rasch zu erlernen
Die sprachliche Struktur des Esperanto ist so einfach wie möglich gestaltet, um den Lernenden einen möglichst raschen Einstieg zu erlauben. So enden etwa alle Tätigkeitswörter in der Gegenwart auf -as: Mi sidas - ich sitze, li sidas - er sitzt, ni skribas - wir schreiben, vi redaktas - Du redigierst/Sie redigieren. Schon hier wird deutlich, warum Esperanto meist in einem Viertel der Zeit zu erlernen ist, die man für andere Sprachen braucht. Die meisten Lernenden brauchen nur etwa fünfzig Lernstunden, drei Wochenenden, um ein wenig sprechen zu können und dann in der Sprachpraxis weiterzulernen. Sprachkurse gibt es etwa bei lernu.net oder beim Deutschen Esperanto-Bund, https://www.esperanto.de/de/fernkurs , sogar mit Mentor.
Weitere Sprachen leichter erlernbar
Der geschickte Aufbau des Esperanto hat noch einen weiteren Vorteil: Mit Esperanto versteht der oder die Lernende die Grundstrukturen von Sprache. Das führt dazu, dass man eine weitere Sprache nach Esperanto deutlich schneller erlernen kann als ohne Esperanto. Dieser Effekt wurde schon in vielen Schulversuchen gezeigt, zuletzt in einer internationalen Studie im Rahmen von Erasmus+ in Slowenien, Kroatien und Bulgarien, gefördert von der EU.
https://epale.ec.europa.eu/en/content/multilingual-accelerator-now-you-have-opportunity-accelerate-language-learning-your-students
Ein Esperanto-Vorschlag bei der Zukunftskonferenz pädiert nun dafür, die Ergebnisse dieses Schulversuchs in einer zweiten Stufe auch in anderen Ländern zu untersuchen.
https://futureu.europa.eu/processes/Education/f/36/proposals/23893
Ablauf der Zukunftskonferenz: Drei Phasen
In der ersten Phase der Konferenz seit Mai 2021 können Bürger ihre Ideen und Vorschläge für die Zukunft der EU auf den Internetseiten futureu.europa.eu einstellen. Andere Bürger können die Vorschläge unterstützen und diskutieren.
Insgesamt gibt es zehn Unterbereiche. Klimawandel und Umwelt ist einer, Gesundheit ein anderer; es geht um Wirtschaft und soziale Gerechtigkeit, Die EU in der Welt, Werte und Rechte, Digitalen Wandel, Demokratie in Europa, Migration und auch um Bildung, Kultur, Jugend und Sport. Zuletzt gibt es noch Weitere Ideen für übergreifende und sonstige Themen.
Nach der Vorschlagsphase werden die Ideen seit September 2021 in Bürgerkonferenzen diskutiert. Jeweils zweihundert zufällig ausgewählte Bürger behandeln zwei oder drei Themenbereiche.
In der dritten Phase bis etwa April 2022 tritt eine Konferenz von EU-Parlamentariern sowie Vertretern der Europäischen Kommission und der Mitgliedsländer zusammen.
____
Kontakt:
Louis v. Wunsch-Rolshoven
Deutscher Esperanto-Bund, Pressesprecher
Tel. 0173 – 162 90 63
____
Anhang: Weitere Esperanto-Vorschläge bei der Zukunftskonferenz
Für eine objektive, faktenbasierte Information über Esperanto
Eine weitere Idee engagiert sich für eine bessere Information zu Esperanto. Es wird beklagt, dass man bei der Europäischen Kommission offensichtlich noch sehr wenig von der internationalen Esperanto-Kultur erfahren hat; manchmal behaupten Vertreter der Kommission sogar, es gäbe keine Esperanto-Kultur, was offensichtlich falsch ist. Die Idee fordert eine objektive und faktenbasierte Information über Esperanto.
https://futureu.europa.eu/processes/ValuesRights/f/12/proposals/41119
Englisch-Kenntnisse in der EU: Sehr ungleichmäßig verteilt
Auch wenn die Europäische Kommission an vielen Stellen alle 24 offiziellen Sprachen der EU benutzt - oft werden Informationen und Diskussionen nur auf Englisch angeboten. Das bevorzugt EU-Bürger im Nordwesten der EU und benachteiligt solche im Süden und Osten: In den Niederlanden, Dänemark und Schweden sprechen etwa 85 bis 90 % der Bevölkerung Englisch, während in neun EU-Ländern nur etwa 20 bis 35 % diese Sprache beherrschen - in Portugal, Spanien, Italien, Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Rumänien und Bulgarien (laut Eurobarometer 386, 2012, S. 24, https://ec.europa.eu/assets/eac/languages/policy/strategic-framework/documents/ebs_386_de.pdf ).
Die Chance, am politischen Dialog teilzuhaben, ist daher in den Ländern der EU sehr unterschiedlich verteilt. Wissenschaftler sprechen schon von einer sprachlichen "Entmündigung" durch die alleinige Benutzung des Englischen ("linguistic disenfranchisement") - die gleichberechtigte demokratische Mitwirkung aller EU-Bürgerinnen und -Bürger ist nicht verwirklicht.
Englisch für Ungarn weit schwerer zu erlernen als für Niederländer
Man könnte denken, die geringeren Englisch-Kenntnisse im Süden und Osten lägen ausschließlich an historischen Gründen oder an weniger Unterrichts-Angebot. Tatsächlich ist aber der Aufwand, um Englisch zu lernen, sehr unterschiedlich: Niederländisch und Englisch sind eng verwandt; daher können Menschen mit Niederländisch als Muttersprache vergleichsweise schnell Englisch lernen. Für Italiener oder Spanier ist die Lernzeit deutlich größer. Noch mehr Zeit müssen Muttersprachler von slawischen Sprachen oder von Ungarisch aufwenden. Die Sprachwissenschaft spricht von unterschiedlichem sprachlichem Abstand zum Englischen ("linguistic distance"). Damit sind die Chancen, Englisch zu erlernen, sehr ungleichmäßig verteilt.
Bessere demokratische Beteiligung mit Esperanto
Der Esperanto-Vorschlag hierzu regt an, neben Englisch auch Esperanto zu fördern. Esperanto ist für Sprecherinnen und Sprecher praktisch aller Sprachen sehr viel schneller zu erlernen als Englisch; viele Schulversuche haben ein Viertel des Zeitaufwands festgestellt. Damit sind auch die Unterschiede zwischen den Muttersprachlern verschiedener Sprachen weitaus geringer als beim Englischen. Esperanto sorgt damit für einen leichteren Zugang zur internationalen Kommunikation und für eine gleichberechtigtere Demokratie. Auch wenn es nicht realistisch ist, Esperanto in der nahen Zukunft einzuführen - der Vorschlag fordert wissenschaftliche Studien zu Esperanto und eine Rolle für Esperanto in der EU. Die Menschen sollen selbst entscheiden dürfen, was sie lernen möchten - und dafür ist sachgerechte Information die nötige Grundlage.
https://futureu.europa.eu/processes/Democracy/f/6/proposals/44420
- Zum Verfassen von Kommentaren bitte Anmelden.